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Startbahn West: Tödliche Schüsse auf Polizisten

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Trauer um tote Polizisten

Trauermarsch von Polizisten durch die Frankfurter Innenstadt am 4. November 1987 / Bild: dpa

Einsatzgruppen der Polizei treiben Demonstranten durch die morastige Wiese vor der Südspitze der Startbahn West Richtung Gundbach. Nebel hängt über dem Gelände, es ist stockfinster. Nur die Mauer vor der neuen Startbahn steht im gleißenden Lichtkegel. Dass Schüsse fallen, nimmt im allgemeinen Durcheinander niemand wahr. Die meisten Demonstranten sind längst zu Hause, als geschieht, was der Frankfurter Wolf Wetzel später als “den Irrsinn dieser Nacht” bezeichnet, “Irrsinn” zum Ende dieser sechsten Jahrestags-Demo der Räumung des Hüttendorfs, am 2. November 1987: Eine Kugel trifft nach 560 Metern Flug Kommissar Klaus Eichhöfer aus Hanau tödlich. Auch der 23jährige Polizist Thorsten Schwalm wird tödlich getroffen. Neun Beamte werden im Kugelhagel verletzt.

Höchste Alarmbereitschaft. Noch in der Nacht wird der Startbahn-Gegner E. in Niederrad verhaftet, in seinem Rucksack die Tatwaffe entdeckt. Eine 9-Millimeter-Kurzlaufwaffe, die man ein Jahr zuvor bei der Demonstration gegen Alkem und Nukem in Hanau einem aufgeflogenen Undercover-Beamten geklaut
hatte. Tags darauf folgen weitere Verhaftungen, reihenweise werden Wohnungen durchsucht. In Verhören bringt E. den Mitte 20 Jahre alten H. aus Mörfelden-Walldorf ins Spiel. Der habe die Waffe besorgt. H. flieht nach Holland, wird kurze Zeit später verhaftet.

Zeitpunkt gibt Rätsel auf

Martin Kessel aus Mörfelden-Walldorf, Mann der ersten Stunde der BI gegen die Startbahn, erfährt wie viele seiner alten Mitstreiter erst in den Radio-Nachrichten von den tödlichen Schüssen. Schock, Entsetzen, Unverständnis. Wie konnte es so eskalieren? Warum gerade zu diesem Zeitpunkt? Sechs Jahre nach Räumung des Hüttendorfs, die Startbahn drei Jahre in Betrieb und die größte Bürgerbewegung aller Zeiten “so gut wie tot”, wie Kessel sagt. Viele der einstigen Hüttendörfler hatten sich resigniert zurückgezogen, als ihr Volksbegehren 1981 gescheitert, 300 Hektar Wald gerodet, die Flugpiste betoniert war.

Die Startbahn-Bewegung hatte zuvor alle eingebunden. Bürgerprotest und Ankerpunkt für die bundesweite friedliche Protestbewegung, die sich auch gegen Gorleben, Wackersdorf, Mutlangen oder die Nato-Beschlüsse wandte. Der kollektive Aufbruch zu neuen Ufern. Und: Die Startbahn-Bewegung hatte Hessen verändert. Die Grünen sind etabliert und in den Landtag eingezogen.

Dass die tödlichen Schüsse ausgerechnet bei der Jahrestags-Demo fallen, hat viele frühere Akteure veranlasst, der Bewegung endgültig den Rücken zu kehren. Dina Schreber, einstige Küchenbrigadier im Hüttendorf: “Die Gewalt war das Aus der Protestbewegung.” Sicher, während der “heißen Phase” zwischen ’80 und ’84 haben sich auch radikale Gruppen eingereiht und immer wieder hitzige Gefechte mit der Polizei geliefert. Auch Wetzel gehört eher einer radikaler orientierten Frankfurter Gruppe an. Er kommt aus der Hausbesetzer-Szene, schließt sich mit anderen Frankfurtern den Protesten an. Sie scheuen keine Scharmützel mit der Polizei. “Aber es war immer klar: Alle Aktionen werden gemeinsam besprochen – und keine Schusswaffen bei Demos.” Auch ihn entsetzten die Schüsse. E. wurde zwar nachgesagt, sich nicht immer an die Absprachen zu halten, “aber allen war klar, dass es völliger Irrsinn ist, in eine Polizeikette zu schießen”.

Eskalation der Gewalt

In der Nacht des 2. Novembers, 21.05 Uhr, ist genau das geschehen – und das Rätselraten über die Motive bei allen Beteiligten groß. Wie kommt die Waffe in E.s Rucksack? Warum wird er so schnell entdeckt? Der Verdacht kursiert, der Zwischenfall könnte provoziert worden sein, um harte Repressionen gegen Demonstranten zu rechtfertigen. Schon früher hätten sich schließlich Provokateure ins Hüttendorf einquartiert und “Turnschuh-Brigaden” in die Demos eingereiht.

Aber weder Wetzel noch die BI-Vertreter Martin Kessel, Dirk Treber oder Walter Reis glauben daran.

Wetzel erklärt sich die Tat als Überreaktion auf die “ständig massiver auftretende Staatsgewalt”. Wasserwerfer, Blendschock-Granaten, aggressiv wirkende Sondereinheiten ohne Schutzschilder, “das macht Angst”. Andererseits haben sich nicht alle Startbahngegner nach 1984 resigniert zurückgezogen, einzelne reagieren mit Wut, radikalisieren sich. Die Situation ist eskaliert, ist Wetzel überzeugt.

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Widerstand gegen die Startbahn West

Tatsächlich ist in dieser Nacht alles anders als bei den Demos zuvor. Erstmals wagen sich Polizeieinheiten vor die Startbahnmauer zur direkten Konfrontation mit den Demonstranten. “Und du weißt, dass du von denen nicht nur abgeführt wirst, wenn sie dich kriegen.” Weglaufen über 400 Meter morastige Wiese, bei Dunkelheit, “Angst, Wut, völliges Ausrasten” – so stellt sich Wetzel die Szenerie vor. Wer auch immer geschossen hat, “es wurde sicher nicht auf einzelne Personen gezielt”, sagt Wetzel, der die “tödlichen Schüsse” in einem Buch verarbeitet hat. Von der Stelle aus, an der die Polizei später 14 Hülsen finden, waren die Getöteten vermutlich nicht zu sehen.

Die Phase des scharfen und später gewalttätigen Protestes gegen die Startbahn West hatte im Sommer 1980 begonnen. Die Gegner bezweifelten aus ökologischen und ökonomischen Gründen die Notwendigkeit der Startbahn, die im April 1984 im Betrieb gegangen ist. Kurz nach der Räumung des Hüttendorfes im Wald, wo heute die Startbahn verläuft, versammelten sich mehr als 150.000 Menschen in Wiesbaden, um der Landesregierung mehr als 220.000 Unterschriften für ein Volksbegehren gegen die Flughafenerweiterung zu übergeben.

Zu gewalttätigen Zusammenstößen war es erneut kurz nach dem Start des ersten Flugzeuges über die 18 West im April 1984 gekommen. In einem Fall musste sogar der Flugbetrieb kurzzeitig unterbrochen werden, weil Gegner eine Wiese in unmittelbarer Nähe der Startbahn in Brand gesteckt hatten.


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